Anzahl der Pressegrossisten in Deutschland stark rückläufig

Im Rahmen der letzten Handelspannenverhandlungen zwischen den Verlagen und den Pressegrossisten im Frühjahr 2018 wurden von den Grossisten starke finanzielle Zugeständnisse eingefordert. In der Konsequenz wird sich die Zahl der Grossisten durch Fusionen und Übernahmen innerhalb des nächsten Jahres mehr als halbieren.
Waren es im vergangen Jahr noch gut fünfzig Grossounternehmen, die knapp 105.000 Einzelhändler mit Presseerzeugnissen beliefert haben, so ist abzusehen, dass diese Zahl zu Ende 2019 auf maximal zwanzig Unternehmen geschrumpft sein wird.
Das bedeutet, dass die Anzahl der belieferten Händler pro Grossist gravierend ansteigen wird, gleichzeitig aber auch das im Grosso vertrieblich tätige Personal ebenso gravierend reduziert wird. Wir befürchten, dass dadurch wertvolle Lokalkompetenz verloren geht und dass in der Folge den verbleibenden Mitarbeitern im Grosso immer weniger Zeit zur Verfügung steht, um sich um die Belange der einzelnen Titel zu kümmern. Dem kommen wir bereits heute durch eine intensive Vertriebsarbeit entgegen, die durch klar strukturierte Vorgaben dem Grossisten die Umsetzung unserer Zielgrößen erleichtert.
Durch die wachsende Größe der Grossoeinheiten sinkt leider aber auch die bisher gewohnte Datentransparenz auf Grosso-Filial-Ebene. Diesem Effekt begegnen wir heute ebenfalls schon, indem wir vermehrt die Mikromarkt-Ebene, also beispielsweise die Stadt-/ Gemeinde-Gebiete, Lokalmärkte etc., in unseren Betrachtungen einfließen lassen und diese bei unseren Analysen für eine optimale Bezugsmengenfindung im Sinne einer möglichst optimalen Marktausschöpfung heranziehen.
Natürlich ergeben sich aus den Fusionen auch Vorteile: So erhoffen wir uns beispielsweise, dass sich im Handel nun auch viele Abläufe effektiver und schneller gestalten lassen. Ebenso erwarten wir eine Straffung der Kommunikation, da sich viele Themen mit einer geringeren Anzahl an Ansprechpartnern schneller und effektiver umsetzen lassen.
Kritisch beobachten wir aber auch, dass die aus dem Konzentrationsprozess resultierenden organisatorischen und administrativen Erfordernisse erhebliche Ressourcen der Grossisten binden. Dadurch bleibt dort weniger Zeit für die eigentliche Vertriebsarbeit, die es dann durch uns umso intensiver von den Grossisten einzufordern gilt.
Was bedeutet dies nun für die Grossolandschaft? Noch vor wenigen Jahren wurden in einem durchschnittlichen Gebiet ca. 1.500 Händler beliefert. Mit sinkender Anzahl an Gebieten steigt nun die Anzahl der in einem – nun erheblich größeren - Gebiet befindlichen Händler deutlich an, ohne dass deshalb die Anzahl der Händler in Summe steigt. Diese ist vielmehr schon seit einigen Jahren rückläufig. Hier nun ein Überblick der wichtigsten Fusionen, begleitet mit einigen Spekulationen unsererseits:
Schon im letzten Jahr entstand mit dem Presseservice Nord (PSN) ein Unternehmen, das mit ca. 6.500 Verkaufsstellen die Regionen Nordwest-Niedersachsen, Bremen, Bremerhaven, den Südosten von Schleswig Holstein und kleine Teile Mecklenburg-Vorpommerns umfasst. Hier schielt man bestimmt schon nach Süden in Richtung Osnabrück und Münster: Zwei Gebiete, die alleine wohl kaum überlebensfähig sein werden, aber sicher sowohl gut zu PSN als auch zu den südlich gelegenen NRW-Grossisten passen würden.
Auch die bereits im Südwesten um Mannheim, Heidelberg, Karlsruhe und Pforzheim tätige BZG Schmitt vergrößerte sich um die Regionen Freiburg und weite Teile des Schwarzwalds bis hinunter zum Bodensee. Sie benannte sich in Presse-Grosso Südwest um und beliefert nun ca. 5.200 Händler. Ein bisher eigenständiges Gebiet im grenznahen Bereich zur Schweiz mit etwas mehr als 500 Händlern dürfte in Kürze ebenfalls dem PG Südwest angegliedert werden. Dieses Gebiet profitiert derzeit stark von den kaufkräftigen Einkaufspendlern aus der Schweiz.
Ebenfalls im letzten Jahr hat sich mit der oberbayrischen Region um Landshut einer der beiden Münchner Grossisten, die Firma Jost, die außer Teilen Münchens auch die Regionen um Augsburg und Ingolstadt beliefert, auf nun ca. 4.600 Händler vergrößert. Hier wäre eine Erweiterung um das Gebiet des bayrischen Waldes mit Regensburg und Passau als größere Städte denkbar.
Eine Fusion mit dem zur MELO-Group gehörenden zweiten Münchner Grossisten Trunk gilt als sehr wahrscheinlich. Hier würde ein Grossobetrieb entstehen, der dann nahezu 7.000 Händler im gesamten südlichen Bayern beliefern würde.
Dem Hauptinhaber der MELO-Group wird aus familiären Gründen auch gute Chancen auf die Übernahme des Stuttgarter Grossisten zugerechnet, allerdings gibt es hier noch weitere Interessenten, in deren Strukturen das Gebiet der baden-württembergischen Landeshauptstadt ebenfalls gut passen würde.
Ebenfalls zur MELO-Group gehört das österreichische Unternehmen PGVAT, das ab 2019 nur noch alleiniger Importeur und Grossist in Österreich sein wird, nachdem MORAWA - der bisherige Wettbewerber - angekündigt hat, zum 1. Januar aus dem Pressevertrieb und Pressegrosso auszusteigen und sich nur noch anderen Geschäftsfeldern zu widmen.
Eine vom Kartellamt bereits bewilligte Fusion steht in Sachsen an: Hier übernimmt der bereits Teile von Thüringen und Sachsen beliefernde Mitteldeutsche Pressevertrieb den Leipziger Presse Vertrieb und dehnt sein Vertriebsgebiet damit auf rund 5.700 Händler aus.
Mittelfristig kann man davon ausgehen, dass es in den östlichen Bundesländern auf wahrscheinlich drei Grossobetriebe hinauslaufen könnte: Einen zentralen Betrieb um Berlin-Brandenburg, einen nördlichen mit Schwerpunkt Mecklenburg-Vorpommern und einen südlichen mit Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Aktuell gibt es in den fünf östlichen Bundesländern noch zwölf Grossisten plus zwei Grossisten in Berlin.
Interessant dabei ist aber, dass es in den östlichen Bundesländern sowohl Grossisten in Privatbesitz (i.d.R. erkennbar an einem Familiennamen in der Firmierung) und Grossisten mit einer Verlagsbeteiligung gibt. Hier ist die Interessenslage daher extrem vielschichtig.
Zu Anfang 2019 werden dann der den größten Teil Schleswig-Holstein abdeckende Grossist Carlsen&Lamich mit der um Hannover herum in Niedersachsen tätigen Grossounion fusionieren. Ohne gemeinsame Gebietsgrenzen werden dann in den zwei geographisch getrennten Gebieten in der Summe fast 7.000 Händler beliefert.
Betrachtet man die nähere Umgebung dieses Grossounternehmens, liegen für die Zukunft Übernahmen der beiden östlichen Nachbarn in Niedersachsen, Salzmann (Region um Braunschweig und Wolfsburg) und Küpper (Region Uelzen und nördliches Sachsen-Anhalt) gedanklich sehr nahe.
Ein weiterer Großgrossist entsteht zur Zeit in NRW: vier Grossisten werden in einem gemeinsamen Tochterunternehmen ein Gebiet mit fast 12.000 Presseverkaufsstellen beliefern. Das Gebiet deckt fast das komplette Ruhrgebiet bis hin zur holländischen Grenze im Westen und Köln im Süden ab.
Dementgegen kann man wohl davon ausgehen, dass der Inhaber des Pressegrosso Bonn-Rhein-Sieg am ehesten mit seinem Bruder, der das im Hessischen und Rheinlandpfälzischen ausliefernde Unternehmen PVG führt, zusammengehen wird. Letzterem, der auch bereits der alleinige Importeur und Grossist in Luxemburg und der gesamten Schweiz ist, sagt man auch die baldige Übernahme des Saarlandes nach. Auch der noch im äußersten Westen verbleibende Aachener Grossist könnte wohl perspektivisch der PVG ebenfalls zuzurechnen sein, es sei denn, das Gebiet würde dem neuen NRW-Groß-Grossist zugeschlagen werden.
Ein schon länger im Gespräch befindlicher und nun endlich erfolgter Zusammenschluss betrifft die Regionen Westfalen und Sauerland-Siegerland. Durch die Fusion der beiden dortigen Unternehmen PDG und PV Meinerzhagen werden hier in der Summe gut 4.500 Händler mit Presse versorgt.
Allen Zusammenschlüssen gemeinsam ist, dass die logistischen Aufgaben nicht einfacher werden. Auch wenn man die Zeitschriften in der Regel über zentrale Hubs ausliefert und die Remissionsverarbeitung ebenfalls zentralisiert, bleibt die zeitsensitive Auslieferung von Tageszeitungen und aktuellen Wochentiteln eine logistische Herausforderung, dem man mit diversen Depots, meist in ehemaligen Grossostandorten, begegnet.
Noch in diesem Jahr wird es weitere Ankündigungen über Fusionen, Übernahmen und Zusammenschlüsse geben. Das Pressegrosso ist in einem Umbruch, wie es ihn noch nie gegeben hat. Dass Synergien aber auch aus Umsatzgründen immer notwendiger werden, zeigt ein Blick auf die aktuellen Branchenzahlen:
Der Absatz wie auch der Umsatz von Presseprodukten im Pressegrosso sind seit Jahren von einem kontinuierlichen Rückgang geprägt. Alleine im ersten Halbjahr 2018 verzeichneten die Grossisten einen Umsatzrückgang um 7,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum auf nunmehr 937 Mio. Euro zu Nettowarenwert.
Den anhaltenden Trend zu moderaten Preiserhöhungen zeigt der Vergleich mit den Absatzzahlen, die im gleichen Zeitraum um 10,1 Prozent auf 708 Mio. Exemplare zurückgingen.